Ein kurzer Einblick in die Geschichte des Stockalperweges.
Das Ossolatal war schon vor den Römern besiedelt und die Kontakte zu der wichtigen keltischen Siedlung im Gebiet des heutigen Dorfes Gamsen existierten. Römische Funde in der Zeit um 1900 belegen dies. Im frühen Mittelalter erstreckten sich die Hoheitsrechte des Herzogtums Mailand bis ins Oberwallis. Mit der Bildung der Republik Wallis und deren Zenden wurden diese Hoheitsrechte langsam zurückgedrängt. Die Walserzüge auf die Simplon Südseite im 11. und 12 Jahrhundert drängten die ethnische Grenze zwischen «Welschen» (Italienische Bevölkerung) und den deutschsprechenden Walsern weiter zurück in die Region der heutigen Landesgrenze.

Via Stockalper 1677, Simplonpass (Wikipedia, Paebi – Eigenes Werk)

Stockalperweg Simplonpass (Wikipedia, Paebi – Eigenes Werk)
Schon zu dieser Zeit existierte ein gut unterhaltener Saumweg über den Pass. Allerdings wurde die Gondoschlucht über das Furggi umgangen. Von Domo d’Ossola (alte Schreibweise) führte ein Saumweg über Crevola ins Val Divedro bis nach Ruden (Gondo) und von dort in das Zwischbergental (Val Vaira). Ruden hatte in dieser Zeit mehr strategische Bedeutung, um den Zugang ins Val Vaira zu sperren. Wirtschaftszentrum war das Val Vaira mit seinen zahlreichen Landwirtschaftsbetrieben und dem kleinen Gasthof am Bord.
Der Gasthof am Bord war auch der Angelpunkt für den wichtigen Saumweg von Domo d’Ossola durch das Val Bognanco über den Passo Monscera ins Val Vaira zum besagten Wirtshaus. Von da an führten die beiden Wege gemeinsam über das Furggi hinunter zum Weiler Gstein (Gabi)
Die Walser Siedlungen «Simpilen» (Simplon Dorf) und Walderuberg (Eggen) waren die nächsten Stationen. Unterhalb der Passhöhe unterhielten die Johanniter ein Spitel für Säumer, Pilger und Söldner und sonstige Reisende.

Das Alte Hospiz (Wikipedia, Hp. Baumeler – Eigenes Werk)

Blick von der Passstrasse auf das Alte Hospiz, Sommer 2020
Nach der Passhöhe verlief der Weg hinunter in die Taverna zum Weiler Grund und hinauf auf den Schallberg. Die tiefe Schlucht der Saltina war nicht passierbar und ist es auch bis heute nicht. Durch den Wald des Brigerberges und die verschiedenen kleine Weiler auf der Geländeterrasse, gelangte man in die wichtigen Handelszentren von Brig und Glis.
Je nach wirtschaftlicher oder politischer Lage erlangte dieser Saumweg grössere oder kleinere Wichtigkeit. Der Passübergang war im 13. Jahrhundert auch in Rom, im Vatikan, noch in Erinnerung. Auf seiner Rückkehr vom Konzil zu Lyon 1275 traf sich Papst Gregor X. (Tebaldo Visconti) in Lausanne mit König Rudolf von Habsburg und versprach im die deutsch-römische Kaiserkrone. Papst Gregor zog durch das Wallis, im November 1275 über den Simplon und durch das Val Bognanco nach Domo d’Ossola. Sein Weg nach Rom führte Ihn nach Arezzo in der Toskana, wo er am 10. Januar 1276 an einer Lungenentzündung starb.
1484 – 1495 kam es zu den unseligen Eschentaler Kriegen. Der Saumweg über den Simplon wurde zur «Heeresstrasse» der Walliser. Das unrühmliche Ende dieser Kriege endete mit dem Verlust des Eschentales (Valle Ossola) für die Walliser und Eidgenossenschaft. Die (Politische) Grenz zum Wallis und Herzogtum Mailand wurde definitive gezogen. Und entsprach in etwa der heutigen Landesgrenze. Das Bistum Novara reichte jedoch bis ins 19. Jahrhundert bis an die Laggina im Gabi.
1609 begann am Simplon ein neuer Stern zu leuchten. Mit der Geburt Kaspar von Stockalper sollte der Simplon zur wichtigsten alpenquerenden Handelsstrasse werden, die nicht unter dem Einfluss fremder Mächte stand. Von Stockalper erkannte die strategische und geopolitische Lage des Simplon und lies den Saumweg ausbauen und als wichtiges Kernstück die Gondoschlucht dauerhaft passierbar machen. Tagtäglich zogen Karawanen von Säumer und Saumtieren mit wertvollen und wichtigen Gütern über den Pass. Mailand, Domodossola und Brig wurden zu wichtigen Warenhandelsplätzen. Wohlstand erblühte entlang der Handelsroute, Europa lag nach dem Ende des 30-jährigen Krieges und den Pestzügen am Boden. Es fehlte überall an Allem. Neider, auch heute noch ein im Wallis verbreitetes Völklein, inszenierten den Sturz von Stockalper.

Kaspar Stockalper vom Thurm (Wikipedia)

Simplonpass mit Monte Leone, Breithorn und Hübschhorn
(Wikipedia, Hp. Baumeler – Eigenes Werk)
Erst mit der Flucht ins Exil und 1691 mit seinem Tode verlor das Handelsimperium den führenden Kopf. Gut hundert Jahre später ging die alte Republik der 7 Zenden unter. Napoleons Truppen zogen plündernd und mordend durch das Wallis. Das einst fast als wohlhabend geltende Wallis wurde zum Armenhaus der zerschlagenen Eidgenossenschaft.
Auch Napoleon erkannte den strategischen Wert des Simplon. Und die grossen Verluste bei der Überquerung des Gr. St. Bernhard waren Grund genug den Befehl zum Bau der ersten fahrbaren alpenquerenden Passstrasse zu geben. «Pour fair passé les canon» lautete der Befehl. 1801 wurde mit dem Bau begonnen, 1806 waren die 40 Km der Heeresstrasse von Brig nach Gondo und weiter nach Domodossola vollendet. Dies unter beträchtlichem Blutzoll der Arbeiter. Es war das Ende, besser gesagt das vorläufige Ende, des Stockalperweges.
Der Stockalperweg geriet in Vergessenheit. Er wurde von den Landwirten für die Landwirtschaft nur noch auf gewissen Teilstücken gebraucht. Der Rest des Weges verfiel zusehends. Mit dem Bau der Nationalstrasse über den Simplonpass hatte auch ein Teil der Napoleonstrasse weichen müssen und nochmals gingen Teile des Stockalperweges verloren.
In den 1990 Jahren traten eine Handvoll Protagonisten um Max Borter, seines Zeichens Forstingenieur, auf den Plan. Ihr ehrgeiziges Ziel war die wieder Begehbarmachung des Stockalperweges von Brig nach Gondo. Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Mit zähen, nicht selten fast an Sturheit grenzenden Verhandlungen, einer herausragenden Fachkompetenz und selbstverständlich viel Goodwill und Entgegenkommen von Institutionen, Behörden, Unternehmen und Grundbesitzern wurde das Werk vollendet. Heute führt der Stockalperweg von Brig über den Pass nach Gabi, wo man sich für die Gondoschlucht oder das Furggi mit dem Zwischbergental entscheiden kann. Doch Gondo ist nur die halbe Strecke. Der Saumweg führt vom Val Vaira über den Monscera Pass ins Val Bognanco nach Domodossola.

Simplon Säumer …

… unterwegs auf der grossen Säumer-Tour.
2013 schlossen sich 3 Protagonisten in Gondo zusammen, um das Säumerhandwerk am Simplon wieder zu erwecken. Seither ertönt jedes Jahr wieder der Hufschlag der Saumpferde am Simplon.
Vom Simplon Hospiz ziehen Säumer, Saumpferde und eine bunte Schar «Reisender» über Simplon Dorf, Furggi, Val Vaira, (Zwischbergental) Passo Monscera, Bognanco nach Domodossola. Das Ziel ist, wie zu Stockalpers Zeiten, die Piazza Mercato zu Domo d’Ossola.
Danksagung
Im Val Vaira, Zwischbergental, am Orte genannt Sera, steht ein Gedenkstein zu Ehren von Max Borter * 1938 +2009. Ohne Ihn gäbe es heute den Stockalperweg nicht. Ein Dank Ihm und seinen Getreuen für dieses grosse Werk. Klaus Aerni und Hanspeter Bärtschi seien hier stellvertreten für alle Diejenigen genannt, welche das Projekt geschichtswissenschaftlich betreut haben. Mein Wissen verdanke ich einer grossen Zahl von geschriebenen Seiten, persönlichen Kontakten mit den Akteuren und selbst erschaffenem Wissen auf unzähligen Begehungen des Stockalperweges. Ihnen allen gehört mein aufrichtiger Dank für Geleistetes. Ihr Werk gereicht Ihnen zur Ehre und wird Sie und die Zeit überdauern.
Rolf Gruber, Wander- und Trekkingleiter SWL/UIMLA